Historische Monatsanweisung November

Den Feinden Frost und Hunger trotzt das Leben

In tausendfältiger Form wissen Pflanzen- und Tierwelt der wärme- du nahrungslosen Zeit zu begegnen. Der Saftumlauf der Pflanze hört auf, wassererfüllte Teile wie Blätter werden abgeworfen oder sterben ab wie Halme und Stengel. Blätter und Blüten harren unter Knospenhüllen geborgen neuer Auferstehung. Im Keim des Samens wartet das Leben auf günstige Außenbedingungen. Jedenfalls ist alles, was der Biene seitens der Pflanzenwelt dient, vergangen, verweht.

Die Tierwelt entflieht zum Teil in wärmere Gefilde, verkriecht sich ins schützende Erdinnere, sucht windgeschützte Hohlräume in Baulichkeiten, Erd- und Felsspalten, morschen Bäumen, spinnt schützende Puppenhüllen um sich. Unter Grasballen, in Erdlöchern, zwischen Gesteinen, unter Brettern überdauern Verwandte unserer Bienen einzeln den Winter, wie Wespen, Hummeln, Hornissen, und zwar von ihnen nur die befruchteten Weibchen. Was von diesen Hautflüglern im Frühjahr suchend ums Bienenhaus streift, ist eine Königin, die mit dem Nest- und Volksbau beginnen möchte. Imker, mit jeder Wespe und Hornisse vernichtest du im Frühjahr ein ganzes Nest.

Einzigartig die Art der Überwinterung bei unseren Bienen. In Haufen von zehn-, zwölf-, auch fünfzehntausend Arbeiterinnen überwintert eine Königin. Darin beruht wesentlich mit die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Honigbiene. Zur Zeit der Obst- und Beerenblüte ist sie bereits imstande, der Blütenwelt Heerscharen zur Befruchtung zu stellen.

Je mehr die Temperatur sinkt, umso dichter ziehen sich die Bienen zu einer Kugel zusammen, wohl wissend, dass die Kugel bei kleinster Oberfläche  – also Angriffsfläche für den Frost – den größten Rauminhalt besitzt und damit Volk und Nahrung birgt. 18 – 20°C hält das Innere der Kugel, während die an der Außenhaut sitzenden Bienen 15° aufweisen. Da bei 13°C die Gefahrenzone für die Biene beginnt, findet eine andauernde, wenn auch ganz langsame Ablösung der Hautbienen statt.

Im Inneren der Kugel wird Wärme erzeugt durch Nahrungsaufnahme aus den Zellen mit gegenseitigen Füttern und durch leichtes Flügelbewegen – der summende Ton, den der Imker vernimmt, wenn er zur Winterzeit horchend den Gummischlauch wie ein Hörrohr ins Flugloch steckt. Bei innerer Ordnung, bei flüssigen Futter und frischer Luft, ohne Störung von außen zehrt die Biene so wenig, dass sie die Nahrungsrückstände bis zum April im Darm halten kann. Anders bei Weisellosigkeit, Durst- oder Luftnot, Beunruhigung durch Tiere, Menschen! Jede Aufregung löst bei der Biene erhöhte Nahrungsaufnahme aus, und, Imker, die Gefahr der Ruhr rückt nahe.

Ruhr ist ein geisterndes Gespenst, das mit langsamem Würgegriff deinen Völkern den Garaus macht. Darum sei immer gemahnt: richtig zubereitetes Herbstfutter, Wind- und Sonnenblenden bei Untenüberwinterung, Fluglochkontrolle mit dem Drahthaken, Mäusefallen, alles niet- und nagelfest am Bienenhaus, regen- und schneedichtes Dach!

Musst du dein Bienenhaus oder einzelne Stöcke verstellen, so tue es jetzt mit weicher Hand und leisen Sohlen.

Nichts, auch nichts darf die heilige Ruhe der Völker stören!

Quelle: Kalender der Leipziger Bienenzeitung 1942

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